Donald Trump am WEF – Rhetorik für Wahlkämpfer

Kurz nach dem Auftritt von Donald Trump am WEF ist ein Video aufgetaucht, in welchem sich der Grünen-Chef, Robert Habeck, über die Rede des amerikanischen Präsidenten äusserte. Unter anderem sagte er darin: «Ich bin fassungslos. … wie man so was hier verzapfen kann.» Und später: «Das war die schlechteste Rede, die ich in meinem Leben gehört habe.»

Nun, wer eine vertiefte Auseinandersetzung mit den zentralen globalen Themen unserer Zeit erwartet hat, mag von der Rede des US-Präsidenten tatsächlich enttäuscht gewesen sein. Wer die Rede jedoch aus rhetorischer Sicht analysiert, merkt rasch, dass Donald Trump seinen Auftritt geschickt genutzt hat. In eigener Sache, wohlgemerkt.

Seine ständigen Wiederholungen der eigenen Errungenschaften haben nämlich einzig und allein zum Ziel, Kernbotschaften beim Publikum zu platzieren. Dabei interessiert Donald Trump kaum das Schweizer und weniger das europäische Publikum als vielmehr die Wählerinnen und Wähler zu Hause. Auch wenn sich niemand an den genauen Wortlaut zu erinnern vermag – alle sollen wissen, dass es Amerika unter Trump besser geht als je zuvor. Diese am WEF vermittelte Botschaft wird hängen bleiben – ob man die Einschätzung teilt oder nicht.

Die Medienschaffenden, die für ihre Artikel und Beiträge auf Content angewiesen sind, waren de facto gezwungen, diese Kernbotschaft weiter zu transportieren. Und selbst die Gegner des US-Präsidenten mussten letztlich rund um diese Themenfelder ihre Kritik anbringen. Das nennt man Themenführerschaft.

Seien es die öffentlichen Auftritte am WEF oder anderswo – über die Person Trump lässt sich streiten. Über den Inhalt seiner Reden lässt sich streiten. Nicht aber über die Frage, ob er seine Redezeit optimal nutzt. Er nutzt jede Minute perfekt. Perfekt für seine Interessen, seinen Wahlkampf. Man muss Trumps Rhetorik keinesfalls gutheissen, aber man muss sich mit ihr auseinandersetzen – insbesondere seine politischen Gegner müssen sich fragen, wie man dieser rhetorischen Form wirkungsvoll begegnet.

Pascal Krauthammer, Januar 2020